Gesetz über die Gutachterstellen bei den Ärztekammern
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Gesetz über die Gutachterstellen bei den Ärztekammern

Gesetz über die Gutachterstellen bei den Ärztekammern
Vom 16. Juni 1970 (Fn 1)
Erster Abschnitt Einrichtung, Aufgaben und Organisation der Gutachterstellen

§ 1 (Fn 2) Einrichtung

Bei den Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe wird je eine Gutachterstelle nach dem Gesetz über die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden vom 15. August 1969 (BGBl. I S. 1143), geändert durch Gesetz vom 23. November 1973 (BGBl. I S. 1725) - Kastrationsgesetz - als Einrichtung der Kammern gebildet.

§ 2 (Fn 2) Aufgaben

Die Gutachterstellen nehmen die in § 5 Abs. 1 und 2 des Kastrationsgesetzes bezeichneten Aufgaben wahr.

§ 3 Zusammensetzung

Jede Gutachterstelle für die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden besteht aus zwei ärztlichen Mitgliedern, von denen eines Psychiater sein muß, und einem Mitglied, das die Befähigung zum Richteramt oder höheren Verwaltungsdienst besitzt.

§ 4 Bestellung, Amtszeit

(1) Die Ärztekammern bestellen die Mitglieder der Gutachterstellen. Die ärztlichen Mitglieder müssen Angehörige der Kammer sein, von der sie bestellt werden. Das Mitglied mit der Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst (§ 3) wird auf Vorschlag des Justizministers bestellt; er schlägt jeweils mindestens drei Personen zur Auswahl vor.
(2) Die Mitglieder werden für eine Amtszeit von vier Jahren bestellt. Die erneute Bestellung nach Ablauf der Amtszeit ist zulässig.

§ 5 (Fn 3) Ende der Mitgliedschaft

(1) Die Mitglieder können ihr Amt jederzeit durch schriftliche Erklärung gegenüber der Ärztekammer niederlegen.
(2) Die Mitgliedschaft endet, wenn eine Bestellungsvoraussetzung entfällt.
(3) Begründen Tatsachen den Verdacht auf das Vorliegen eines Beendigungs- oder Abberufungsgrundes, kann dem Mitglied die Amtsführung bis zur Klärung vorläufig untersagt werden. Die Entscheidung trifft die Ärztekammer.

§ 6 Ausschluß im Einzelfall

Ein Mitglied ist im Einzelfall von der Mitwirkung ausgeschlossen, wenn es
a) den Betroffenen ärztlich behandelt oder begutachtet hat,
b) zu dem Betroffenen in einem Verhältnis der in § 22 Nrn. 2 und 3 der Strafprozeßordnung bezeichneten Art steht.

§ 7 (Fn 10) Rechtsstellung der Mitglieder

(1) Die Mitglieder der Gutachterstellen sind bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben unabhängig und an Weisungen nicht gebunden.
(2) Sie erhalten von der Ärztekammer eine Entschädigung für den mit ihrer Tätigkeit verbundenen Aufwand nach den von der Ärztekammer hierüber getroffenen Bestimmungen. Soweit sie als einzelne Mitglieder ärztliche Gutachten zu dem Antrag erstatten oder ärztliche Tätigkeiten im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Kastrationsgesetzes vornehmen, erhalten sie eine Vergütung nach den Sätzen des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte.

§ 8 Vorsitz, Geschäftsführung

(1) Die Mitglieder der Gutachterstelle wählen aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden. Der Vorsitzende leitet die Beratung und Beschlußfassung und führt die Geschäfte der Gutachterstelle.
(2) Dem Vorsitzenden steht eine Geschäftsstelle zur Verfügung, die von der Ärztekammer eingerichtet wird.

§ 9 Stellvertreter der Mitglieder

(1) Die Ärztekammern bestellen für jedes Mitglied der Gutachterstellen zwei Stellvertreter.
(2) Scheidet ein Mitglied vor dem Ende der Amtszeit aus der Gutachterstelle aus, tritt der erste Stellvertreter an seine Stelle.
(3) Ist einem Mitglied die Amtsführung vorläufig untersagt, ist es im Einzelfall von der Mitwirkung ausgeschlossen oder aus anderen Gründen an der Wahrnehmung seiner Aufgaben gehindert, tritt der erste Stellvertreter für die Dauer der Verhinderung ein.
(4) Die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend für den zweiten Stellvertreter bei Ausscheiden oder Verhinderung des ersten Stellvertreters.
(5) Im übrigen gelten die Vorschriften für die Mitglieder entsprechend für die Stellvertreter.
Zweiter Abschnitt Verfahren der Gutachterstelle

§ 10 Antrag

(1) Die Gutachterstelle wird auf Antrag tätig.
(2) Antragsberechtigt ist jeder Betroffene, der im Bezirk der Kammer seinen ständigen Wohnsitz hat oder, sofern er keinen ständigen Wohnsitz hat, sich in diesem Bezirk aufhält. Das gleiche gilt, wenn sich der Betroffene in einer geschlossenen Anstalt befindet, die im Bezirk der Kammer liegt.
(3) Außer dem Betroffenen im Sinne des Absatzes 2 ist in den Fällen, in denen ein gesetzlicher Vertreter, ein Vormund, ein anderer Personensorgeberechtigter oder ein Pfleger, zu dessen Aufgabenbereich die Angelegenheit gehört, vorhanden ist, auch dieser antragsberechtigt.
(4) Dem Antrag soll ein ärztliches Zeugnis beigefügt werden.

§ 11 (Fn 4) Erhebungen

(1) Die Gutachterstelle verschafft sich durch im Einzelfall erforderliche Erhebungen die Erkenntnisse, derer sie für ihre Entscheidung bedarf. Soweit ihr das erforderlich erscheint, zieht sie die über den Betroffenen in gerichtlichen und Verwaltungsverfahren erwachsenen aktenmäßigen Unterlagen heran.
(2) Zur Vorbereitung ihrer Entscheidung kann die Gutachterstelle auch andere Ärzte oder sonstige Sachverständige mit deren Einverständnis zuziehen.
(3) Die in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Maßnahmen bedürfen der Einwilligung des Betroffenen oder der nach § 10 Abs. 3 antragsberechtigten Personen.

§ 12 (Fn 5) Entscheidung

(1) Die Gutachterstelle trifft ihre Entscheidung nach mündlicher Beratung mit Stimmenmehrheit.
(2) Die Entscheidung ist dem Betroffenen und den weiteren nach § 10 Abs. 2 antragsberechtigten Personen schriftlich bekanntzugeben. Eine die Bestätigung oder das Zeugnis versagende Entscheidung ist zu begründen. Dabei ist auf den gesundheitlichen Zustand des Betroffenen Rücksicht zu nehmen.

§ 13 (Fn 9) Besondere Verfahrensvorschriften

(1) Ein von der Gutachterstelle bestimmtes ärztliches Mitglied nimmt die nach den §§ 3 und 4 des Kastrationsgesetzes vorgeschriebenen Aufklärungen, insbesondere über Grund, Bedeutung, Folgen und Nachwirkungen der Kastration oder der anderen Behandlungsmethode, vor. Befindet sich der Betroffene in einer geschlossenen Anstalt, so ist die Aufklärung auch darauf zu erstrecken, daß er durch die Kastration oder die andere Behandlungsmethode nach § 4 des Kastrationsgesetzes keinen Anspruch auf vorzeitige Entlassung erlangt. Der Betroffene ist, darauf hinzuweisen, daß es in seinem eigenen Interesse ratsam ist, sich nach der Kastration Nachuntersuchungen zu unterziehen.
(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartnerin oder Lebenspartner des Betroffenen soll angehört werden, sofern der Betroffene nicht widerspricht oder die Anhörung im Einzelfall untunlich ist.
(3) Die nach dem Kastrationsgesetz für die Zulässigkeit der Kastration oder einer anderen Behandlungsmethode erforderlichen Einwilligungs- oder Einverständniserklärungen sind gegenüber der Gutachterstelle schriftlich oder, wenn dies nicht möglich ist, zur Niederschrift der Gutachterstelle abzugeben.
(4) Die Gutachterstelle kann über den Antrag auf Bestätigung schon vor einer nach § 6 des Kastrationsgesetzes erforderlichen vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung entscheiden.
(5) Wird die Bestätigung erteilt, sind darin aufzunehmen
1. der Zeitpunkt, zu dem sie ihre Wirksamkeit verliert,
2. ein Hinweis darauf, daß Nachuntersuchungen ratsam sind,
3. in den Fällen des § 6 des Kastrationsgesetzes ein Hinweis darauf, daß die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderlich ist.
(6) Die Bestätigung wird unwirksam, wenn nicht innerhalb eines Jahres nach ihrer Erteilung die Kastration durchgeführt oder mit einer anderen Behandlung begonnen wird. Die Wirksamkeit der Bestätigung kann auf Antrag einer der in § 10 Abs. 2 bezeichneten Personen von der Gutachterstelle um ein Jahr verlängert werden.

§ 14 (Fn 8) Kosten

(1) Die Verfahren vor den Gutachterstellen sind gebühren- und auslagenfrei.
(2) Das Land erstattet den Ärztekammern am Schluß eines jeden Rechnungsjahres
1. die Kosten, die durch die Zahlung von Vergütungen an einzelne Mitglieder der Gutachterstellen gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 entstanden sind,
2. die Kosten für die Zuziehung von Sachverständigen nach § 11 Abs. 2, und zwar bei ärztlichen Sachverständigen in Höhe der Sätze des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte, bei anderen Sachverständigen entsprechend den Vorschriften des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes.
(3) Das Land kann statt dessen im Einvernehmen mit der Ärztekammer die dieser entstandenen Kosten im Sinne des Absatzes 2 ganz oder teilweise durch einen jährlichen Pauschalbetrag abgelten.
Dritter Abschnitt Schlußvorschriften

§ 15 (Fn 6)

§ 16 (Fn 7) Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am 1. Juli 1970 in Kraft.
Die Landesregierung des Landes Nordrhein-Westfalen

Fussnoten

Fn 1

GV. NW. 1970 S. 434, geändert durch Art. XLVI 2. AnpG. NW. v. 3. 12. 1974 (GV. NW. S. 1504), Art. 2 Verwaltungsverfahrensrechts-Anpassungsgesetz v. 18. 5. 1982 (GV. NW. S. 248), Art. 5 d. RBG 84 NW v. 18. 12. 1984 (GV. NW. S. 806); Artikel 78 des Zweiten Befristungsgesetzes vom 5.4.2005 (GV. NRW. S. 274), in Kraft getreten am 28. April 2005; Art V des Gesetzes v. 5.4.2005 (GV. NRW. S 408), in Kraft getreten am 5. Mai 2005; Artikel 12 (Erster Teil) des Gesetzes v. 3.5.2005 (GV. NRW. S. 498), in Kraft getreten am 26. Mai 2005; Artikel 3 des Gesetzes v. 30.4.2013 (GV. NRW. S. 202), in Kraft getreten am 14. Mai 2013; Artikel 74 des Gesetzes vom 1. Februar 2022 (GV. NRW. S. 122), in Kraft getreten am 19. Februar 2022.

Fn 2

§§ 1, 2 und 3 geändert durch Art. 5 RBG 84 NW v. 18. 12. 1984 (GV. NW. S. 806); in Kraft getreten am 1. Januar 1985.

Fn 3

§ 5 geändert durch Art. 2 Verwaltungsverfahrensrechts-Anpassungsgesetz v. 18. 5. 1982 (GV. NW. S. 248); in Kraft getreten am 1. Juli 1982.

Fn 4

§ 11 Abs. 3 eingefügt durch Art. 5 RBG 84 NW v. 18. 12. 1984 (GV. NW. S. 806); in Kraft getreten am 1. Januar 1985.

Fn 5

§ 12 Abs. 1 geändert durch Art. 5 RBG 84 NW v. 18. 12. 1984 (GV. NW. S. 806); in Kraft getreten am 1. Januar 1985.

Fn 6

gestrichen mit Wirkung vom 1. Januar 1975 durch Art. XLVI 2. AnpG. vom 3. 12. 1974 (GV. NW. S. 1504).

Fn 7

§ 16 Satz 2 angefügt durch Artikel 78 des Zweiten Befristungsgesetzes vom 5.4.2005 (GV. NRW. S. 274); in Kraft getreten am 28. April 2005; aufgehoben durch Artikel 3 des Gesetzes v. 30.4.2013 (GV. NRW. S. 202), in Kraft getreten am 14. Mai 2013.

Fn 8

§ 14 Abs. 2 geändert durch Art V des Gesetzes v. 5.4.2005 (GV. NRW. S 408); in Kraft getreten am 5. Mai 2005.

Fn 9

§ 13 zuletzt geändert durch Artikel 12 (Erster Teil) des Gesetzes v. 3.5.2005 (GV. NRW. S. 498); in Kraft getreten am 26. Mai 2005.

Fn 10

§ 7 Absatz 2 geändert durch Artikel 74 des Gesetzes vom 1. Februar 2022 (GV. NRW. S. 122), in Kraft getreten am 19. Februar 2022.

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