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Vorschriften betreffend zwangsweise Rückführungen auf dem Luftweg

512.33 Vo rschriften betreffend zwangsweise Rückführungen auf dem Luftweg v om 11. April 2002 1) Die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und Polizeidirektoren – in Erfüllung bundesrechtlicher Vollzugsaufgaben 2) , –g ehalten, die rechtsstaatlich unverzichtbare Durchsetzung vollziehbarer Entscheide der zuständigen Behörden zu gewährleisten, – den Menschenrechten und der Würde aller Menschen, wie sie insbeson- dere im Internationalen Pakt über die bürgerlichen und politischen Rechte (UNO-Pakt II) 3) ,i m Übereinkommen der UNO gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe 4) , der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) 5) , dem Europäischen Übereinkommen zur V erhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behand- lung oder Strafe (CPT) 6) sowie in unserer Bundesverfassung 7) und der Rechtskultur unseres Landes zum Ausdruck kommen und geschützt sind, ve rpflichtet, empfehlen – soweit notwendig auf Bundesebene – den Erlass der nachfol- g enden Vorschriften in der Form formaler gesetzlicher Bestimmungen: 1) GS 27, 675 2) Art. 46 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) vom 26. Juni 1998, SR 142.31, und Art. 14 Bundesgesetz über den Auf- enthalt und die Niederlassung der Ausländer (ANAG) vom 26. März 1931, SR 142.20. 3) Internationaler Pakt vom 16. Dez. 1966 über die bürgerlichen und politischen Rechte (UNO-Pakt II, SR 0.103.2). 4) Übereinkommen vom 10. Dez. 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, SR 0.105. 5) Ko nv ention vom 4. Nov. 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, in der Schweiz in Kraft seit 28. Nov. 1974, SR 0.101. 6) Europäisches Übereinkommen vom 26. Nov. 1987 zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder er- niedrigender Behandlung oder Strafe, in Kraft getreten für die Schweiz am 1. Febr. 1989, SR 0.106. 7) Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV) vom 18. April 1999, SR 101.
512.33 I. Allgemeine Bestimmungen Art. 1 Geltungsbereich 1 Diese Vorschriften gelten für alle von schweizerischen Polizeiangehöri- gen durchgeführten zwangsweisen Rückführungen auf dem Luftweg, unab- hängig von der Art der anzuwendenden Zwangsmittel und unabhängig davon, ob es sich um Flüge mit Linien- oder Charterflugzeugen, die in der Schweiz oder in einem andern Staat immatrikuliert sind, oder um solche mit einem staatseigenen Flugzeug handelt. 2 Die Vorschriften erstrecken sich von der Vorbereitung einer zwangswei- sen Rückführung am Aufenthaltsort der betroffenen Person bis zu deren Übergabe an die Behörden des Bestimmungslandes. Art. 2 Rechtmässigkeit von Zwangsmitteln 1 Zwangsmittel stellen einen Eingriff in die körperliche und psychische Integrität der betroffenen Person dar. Jegliche Form und Dauer von Zwangs- mitteln muss sich daher auf eine gesetzliche Grundlage stützen können, im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein. 2 Besondere Beachtung verdienen: – der Respekt gegenüber dem Recht auf Leben und auf persönliche Freiheit, – die jedem Menschen innewohnende Würde des Menschseins, – die Rechtsgleichheit gegenüber allen Menschen, – das Verbot der Folter, grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Be- handlung, – das Willkür- und Diskriminierungsverbot. Art. 3 Zum Verhältnismässigkeitsprinzip im Besonderen 1 V erhältnismässig sind Zwangsmittel nur, wenn sie erforderlich, geeignet und im engeren Sinn verhältnismässig sind. 2 Erforderlich sind Zwangsmittel, wenn ohne deren Anwendung das be- absichtigte Ziel nicht erreichbar, d. h. die Rückführung nicht möglich wäre oder mit grosser Wahrscheinlichkeit scheitern würde. 3 Geeignet sind Zwangsmittel, wenn sie konkret zur Erreichung des Zie- les beitragen, was ohne deren Anwendung nicht möglich wäre. Andere Zwangsmittel, die zur Erreichung des Zieles nichts beitragen, sind daher un- v erhältnismässig.
4 Im engeren Sinn verhältnismässig sind Zwangsmittel, wenn deren Ein- schränkung der persönlichen Freiheit, insbesondere auch deren Dauer, zum Ziel der Rückführung als Ganzes in einem verantwortbaren Verhältnis stehen, und die Rückführung nicht wegen Übermässigkeit der Mittel verschoben oder auf andere Weise durchgeführt werden muss. 5 Zu wählen sind diejenigen Zwangsmittel, die mit den geringsten Ein- schränkungen der persönlichen Freiheit das Erreichen des Zieles erlauben. Art. 4 Zum Rechtsgleichheits- und Diskriminierungsverbot im Besonderen 1 Zwangsmittel richten sich ausschliesslich nach den gegebenen Umstän- den, insbesondere dem Verhalten der betreffenden Person. 2 Rückzuführende Personen sind respektvoll zu behandeln. Jegliche spöt- tischen, sexistischen oder anderweitig herabmindernden Bemerkungen oder Gesten sind verpönt. 3 Zwangsmittel gegenüber Frauen sind durch weibliche Polizeiangehöri- ge anzubringen. 4 Bei Kindern und betagten Menschen ist besondere Rücksicht geboten. II. Die Begleitteams Art. 5 Selektion der Angehörigen von Begleitteams 1 Polizeibegleiter für zwangsweise Rückführungen verfügen insbesonde- re über: –e ine mehrjährige polizeiliche Erfahrung, – eine ausgeglichene Persönlichkeit, überdurchschnittliche Sozialkompe- tenz, ausgeprägtes Einfühlungsvermögen, psychische Stabilität, eine hohe Belastbarkeit und Frustrationstoleranz sowie – über Fremdsprachenkenntnisse und – eine gute körperliche Fitness. 2 T eamleader zeichnen sich zudem aus durch – ausgeprägte Kommunikationsfähigkeiten in Sprachen von Transit- oder Zielstaaten oder in Englisch, sowie durch –V erhandlungsgeschick und Durchsetzungsvermögen. 512.33

Art. 6 A

usbildung 1 Zwangsweise Rückführungen dürfen nur von Polizeiangehörigen durch- geführt werden, die nach der Selektion auf Grund der Kriterien gemäss Art. 5 einen Ausbildungslehrgang bestanden haben, namentlich betreffend – die Rechtsgrundlagen für den zwangsweisen Wegweisungsvollzug (Völ- ke rrecht, Bundesrecht und kantonales Recht), – die Rechtsstellung von Begleitpersonen und das Verhältnis zum Bord- k ommandanten, – den Umgang mit Konflikten, – das Verhalten in Krisensituationen, – die Zulässigkeit von Zwangsmitteln und deren korrektem Einsatz. 2 T eamleader haben einen besonderen Kaderkurs zu bestehen. 3 Das Schweizerische Polizei-Institut (SPI) organisiert die Aus- und Wei- terbildung und führt die Kurse durch. III. Unzulässige Zwangsmittel Art. 7 Grundsatz 1 V erboten sind Zwangsmittel, die unmenschlich oder erniedrigend sind. 2 V orbehalten bleiben Notwehr und Notwehrhilfe. Art. 8 V erbotene Zwangsmittel 1 Die Atmung zurückzuführender Person darf nie und in keiner Weise be- hindert werden. 2 V erboten ist namentlich – auch nur vorübergehend: – den Mund und/oder die Nase in irgendeiner Form zu knebeln oder mit der Hand bzw. einem Gegenstand zuzudrücken, – die Verwendung einer Kopfbedeckung (z. B. Helm), wenn sie Atmungs- probleme verursachen könnte. 3 V erboten sind Techniken der Fesselung, des Festhaltens oder Wegtra- gens von Personen («hog-tieing»), wenn sie die Gefahr eines haltungsbe- dingten Erstickungstodes (Positionsasphyxie) in sich bergen. 512.33

Art. 9 Andere unzulässige Massnahmen

1 Das Anziehen von Windeln ist ohne Einwilligung der betreffenden Per- son unzulässig. 2 Während eines mehrstündigen Fluges darf der Gang zur Toilette zwecks Ve rrichten der Notdurft nicht von vorneherein ausgeschlossen werden. IV. Zulässige Zwangsmittel und Methoden Art. 10 Grundsatz Erlaubte Zwangsmittel und -methoden dürfen nur angewendet werden, wenn sich dies aufgrund des Widerstandes der rückzuführenden Person als unerlässlich erweist. Art. 11 Erlaubte Zwangsmittel 1 Zulässig sind unter Beachtung des Grundsatzes von Art. 10 dieser Vor- schriften unter besonderer Beachtung des Vermeidens gesundheitlicher Risi- k en: – die Fesselung von Händen, Armen, Füssen und Beinen mit Schliesszeug (Handschellen, Handschellensack [cuffbag], Sprungketten oder Kabel- bindern), auch in Kombination, – die Fesselung auf einem Transport- bzw. Rollstuhl oder einer Trage, – das Angurten am Sitz oder das Einkleiden in eine Zwangsjacke. 2 Macht der Widerstand der betroffenen Person eine sehr enge Fesselung notwendig, sind die entsprechenden Gelenke speziell gegen Verletzungen oder einen Blutstau zu schützen. 3 Im Flugzeug werden für die Fesselung in der Regel keine Hilfsmittel aus Metall verwendet. 4 Das Verwenden eines speziellen Helms zum Schutz vor Selbstverletzun- gen durch die betroffene Person ist unter Vorbehalt von Art. 8 Abs. 2 al. 2, er- laubt. Art. 12 Besondere Fälle Kinder sowie körperlich behinderte, gebrechliche und/oder betagte Perso- nen, die physischen Widerstand leisten, dürfen nur in besonderen Situationen (z. B. Gefahr der Selbstverstümmelung) gefesselt werden. 512.33

Art. 13 Medikation

Eine rückzuführende Person darf nur gegen ihren Willen medikamentös ruhig gestellt werden, wenn kumulativ: – das Verhalten der Person darauf schliessen lässt, dass sie sich selber oder andere ernsthaft gefährden oder verletzen könnte, –v orgängig eine ärztliche Untersuchung erfolgt ist und aus medizinischer Sicht keine Einwände gegen eine Medikamentierung bestehen, – die Verabreichung des Medikamentes durch einen Arzt oder eine Ärztin oder in deren direkten Auftrag erfolgt, – die Person während der gesamten Rückführung durch eine medizinisch geschulte Person (Arzt/Ärztin oder Rettungssanitäter/in) überwacht wird. V. Vo r b ereitung Art. 14 Allgemeine Vorbereitungen 1 Die Begleiter, insbesondere der Teamleader, haben sich vor der ersten K ontaktnahme durch Studium der entsprechenden Dossiers mit der rückzu- führenden Person, dem Grund von deren Weg- oder Ausweisung sowie über deren persönlichen Verhältnisse zu informieren. 2 Die zuständigen Personen der vollziehenden Behörde haben dem Team- leader zudem mündlich über alle relevanten Sachverhalte, insbesondere über das Verhalten der rückzuführenden Person während einer allfälligen Aus- schaffungs-, Untersuchungs- oder Strafhaft und über deren Kooperations- oder umgekehrt Gewaltbereitschaft, zu orientieren. 3 Behörden des Bundes und anderer Kantone lassen den Behörden des v ollziehenden Kantons gegebenenfalls sachdienliche Informationen zukom- men. Art. 15 V orbereitungsgespräch 1 V or einer zwangsweisen Rückführung ist unter der Verantwortung des v erfügenden Kantons als vertrauensbildende Massnahme mit der rückzufüh- renden Person (mindestens) ein Vorbereitungsgespräch zu führen, während dem sie auch über den Ablauf der Rückführung orientiert wird. Nach Mög- lichkeit soll ein Mitglied des Begleitteams am Vorbereitungsgespräch teil- nehmen. 512.33
2 Bestehen Anzeichen für physischen Widerstand der Person gegen ihre Rückführung, werden ihr die Konsequenzen eines solchen Verhaltens, na- mentlich die Anwendung von Zwangsmitteln, erläutert. 3 Auf ein Vorbereitungsgespräch darf nur verzichtet werden, wenn davon ausschliesslich (zusätzliche) Erschwernisse für die Rückführung zu erwarten sind oder wenn ein solches früher vor einem abgebrochenen Versuch einer Repatriierung bereits durchgeführt worden ist. 4 Über das Vorbereitungsgespräch wird ein Kurzprotokoll aufgenommen, v on der rückzuführenden Person unterzeichnet und dem Log beigefügt. Wird auf ein Vorbereitungsgespräch gemäss Abs. 3 verzichtet oder verweigert die rückzuführende Person die Unterschrift, ist dies mit Grundangabe im Log zu ver merken. Art. 16 Medizinische Untersuchung 1 Bei offensichtlichen gesundheitlichen Beschwerden der rückzuführen- den Person oder wenn sie solche begründet geltend macht, wird die Flug- tauglichkeit ärztlich abgeklärt. 2 Bei schwangeren Frauen ist die Flugtauglichkeit zwingend ärztlich ab- zuklären, wenn deren Rückführung sechs Wochen oder weniger vor dem Ge- bu rtstermin erfolgen soll. 3 Die Ergebnisse der ärztlichen Untersuchung über die Flugtauglichkeit werden dem/der Fremdenpolizeichef/in sowie der den Vollzug anordnenden Person schriftlich mitgeteilt. 4 Wi rd die Rückführung – allenfalls unter Beachtung von Auflagen – auf- grund des ärztlichen Berichtes als durchführbar erachtet, ist der rückzufüh- renden Person während dem Vorbereitungsgespräch vom Inhalt des Befundes K enntnis zu geben und dem Teamleader spätestens vor dem Abflug im Flug- hafen eine Kopie des Berichtes zuzustellen. Art. 17 Medizinische Auflagen 1 Bei bejahter Reisefähigkeit legt der/die beurteilende Arzt/Ärztin die al- lenfalls notwendigen Auflagen bzw. medizinischen Massnahmen fest. 2 Die verfügende Behörde ist gegebenenfalls für die Massnahmen zur Ein- haltung der Auflagen besorgt. 3 Muss die Rückführung medizinisch begleitet oder unterstützt werden, wird dies der betroffenen Person anlässlich des Vorbereitungsgespräches mit- geteilt. 512.33
VI. Festnahme, Durchsuchung und Transport zum Flughafen Art. 18 Planung 1 Entsprechend dem Ergebnis des Vorbereitungsgesprächs haben Team- leader und Begleiter in Zusammenarbeit mit der verfügenden Behörde und gegebenenfalls der zuständigen Kantonspolizei einen Plan für den Transport zum Flughafen und die nach den Umständen notwendigen Zwangsmittel zu erstellen. 2 Ist mit einer erheblichen Selbstverletzungsgefahr zu rechnen, muss die Person nach dem Vorbereitungsgespräch bis zum Transport an den Flughafen sowie während dieser Fahrt überwacht werden. Art. 19 Log 1 Über jede zwangsweise Rückführung ist für jede rückzuführende Person ein Log (Vollzugs-Journal) anzulegen. 2 Im Log werden alle angeordneten Zwangsmittel, deren allfällige Ver- stärkung, Lockerung oder Aufhebung sowie allfällige medizinische Mass- nahmen und andere relevante Vorkehren (z. B. Verpflegung) mit exakter Zeit- angabe, Begründung sowie den Namen des anordnenden und des ausführen- den Begleiters festgehalten. Art. 20 F estnahme und Durchsuchung 1 Befindet sich die betroffene Person nicht bereits in Haft, werden die Festnahme und die unmittelbar danach folgenden notwendigen Handlungen (Gepäck- und Kleiderdurchsuchung, evtl. Leibesvisitation usw.) in der Regel nicht durch die Mitglieder des Begleitteams durchgeführt. 2 Gepäck-, Kleiderdurchsuchungen und evtl. Leibesvisitationen sind durch Polizeiangehörige des jeweils gleichen Geschlechts vorzunehmen. Bei Knaben in jungem Alter ist nach Möglichkeit eine weibliche Polizeiangehö- rige zuzuziehen. Art. 21 Reisefertigkeit 1 Die vollziehende Behörde hat der rückzuführenden Person Gelegenheit zu geben, sich in angemessener Weise reisefertig zu kleiden und auszurüsten. 2 Die besonderen Checklisten betreffend Reisefertigkeit sind Bestandteil dieser Vorschriften; sie sind einzuhalten. 3 Die zuständige Flughafenpolizei ist befugt, nicht reisefertige Personen den verfügenden Behörden des Vollzugskantons unter Kostenfolge zu über- geben. 512.33

Art. 22 Tr

ansport zum Flughafen Der Transport zum Flughafen ist in der Regel vom Teamleader oder einem anderen Teammitglied zu begleiten. VII. Massnahmen im Flughafen Art. 23 Übergabe an die Vollzugsbehörden im Flughafen 1 Die zuführenden Polizeiangehörigen übergeben die betroffene Person samt deren Reisegepäck persönlich den Vollzugsbehörden im Flughafen. 2 Für die Übergabe des Reisegepäcks wird eine Quittung über die Rich- tigkeit und Vollständigkeit ausgestellt. Sie soll von der rückzuführenden Per- son als richtig und vollständig unterzeichnet werden. Verweigert sie die Unterschrift, ist dies im Log mit Grundangabe zu vermerken. 3 Sollte ausnahmsweise der Transport zum Flughafen nicht bereits von einem Mitglied des Begleitteams begleitet werden, sind allfällige wesentliche Informationen über die betroffene Person oder diese Rückführung den Ange- hörigen der Vollzugsbehörden im Flughafen mitzuteilen. Ebenso sind allfäl- lige Kopien ärztlicher Befunde, die nicht bereits im Besitz des Teamleaders sind, zu dessen Handen zu übergeben. Art. 24 Ve r antwortlichkeit der Vollzugsbehörden im Flughafen 1 Sobald die rückzuführende Person an die Vollzugsbehörden am Flugha- fen übergeben worden ist, obliegen dieser alle Massnahmen für die Flugvor- bereitung und Betreuung. 2 Sie entscheidet über die allfällige Anwendung von (technischen) Zwangsmitteln bis zur Platzierung der rückzuführenden Person im Flugzeug und unterrichtet den Teamleader über die getroffenen Massnahmen. 3 Alle angeordneten, geänderten oder aufgehobenen Massnahmen sind im Log festzuhalten (Art. 19). Art. 25 Ve rkehr mit den Fluggesellschaften bzw. mit der Flugzeugbesatzung 1 Die gleiche Behörde ist verantwortlich für alle Regelungen mit der ge- wählten Fluggesellschaft sowie für die notwendigen Absprachen mit der Flugzeugbesatzung. 512.33
2 Sie sorgt für die möglichst frühzeitige Verbindungsaufnahme des Team- leaders mit der Flugzeugbesatzung. 3 Sie überprüft die Vollständigkeit und Richtigkeit aller für die Rückfüh- rung benötigten Dokumente, die das Begleitteam mitzuführen hat. Art. 26 Ve rs c hiedene Anordnungen 1 Unmittelbar vor Antritt des Fluges ist der rückzuführenden Person noch einmal zu ermöglichen, die Toilette aufzusuchen. 2 Zwangsmittel sind in der Öffentlichkeit möglichst diskret anzuwenden. 3 Entsprechende Anordnungen werden im Log festgehalten. VIII. Begleitung während des Fluges Art. 27 T okio-Abkommen 1 Während des Fluges, d. h. nach dem Schliessen der Aussentüren des Flugzeuges bis zu deren Öffnen nach der Landung, verfügt der Luftfahrzeug- k ommandant (Captain) gemäss dem Abkommen von Tokio 1) über die aus- schliessliche Bordgewalt. Ihm steht es allein zu, Massnahmen zu treffen, um die Sicherheit des Luftfahrzeuges oder der Personen oder Sachen an Bord zu gewährleisten sowie die Ordnung und Disziplin an Bord aufrechtzuerhalten. Er kann von andern Besatzungsmitgliedern verlangen, sowie Fluggäste auf- fordern und sie ermächtigen, ihn bei der Anwendung von Zwangsmitteln gegenüber einer Person, der gegenüber er hiezu befugt ist, zu unterstützen. 2 Diese Weisungsbefugnis gilt auch gegenüber schweizerischen Polizei- angehörigen, sofern die Sicherheit des Flugzeuges oder die Ordnung und Dis- ziplin an Bord gefährdet sind. 3 In Fällen von Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Captain und den schweizerischen Polizeiangehörigen betr. das Auferlegen, Weiterführen, Erleichtern oder Aufheben von Zwangsmitteln gegenüber rückzuführenden Personen bleibt die Entscheidungsbefugnis beim Captain, sofern die Sicher- heit oder die Ordnung und Disziplin an Bord des Flugzeuges im Zusammen- hang mit diesen Massnahmen in irgend einer Weise tangiert sein können. 1) Abkommen über strafbare und bestimmte andere an Bord von Luftfahrzeugen begangene Handlungen, vom 14. Sept. 1963, SR 0.748.710.1, in der Schweiz in Kraft seit 21. März 1971. 512.33

Art. 28 Ve

rpflegung Das Begleitteam achtet darauf, dass der rückzuführenden Person stets ge- nügend Flüssigkeit und Nahrung zur Verfügung steht. Art. 29 Pe r sönliche Bedürfnisse 1 Einer rückzuführenden Person, die die Ordnung an Bord nicht zu stören droht, ist der Gang zur Toilette in regelmässigen Abständen zu gestatten. 2 Andernfalls gestatten die Polizeibegleiter das Aufsuchen der Toilette – gegebenenfalls in Absprache mit dem Bordkommandanten – nur, wenn mit entsprechenden Vorsichtsmassnahmen nach ihrer Einschätzung dadurch Ord- nung und Sicherheit an Bord nicht gefährdet werden. 3 Wi rd der Toilettengang verweigert, muss der rückzuführenden Person die Möglichkeit gewährt werden, ihre Notdurft mit entsprechenden Vorkeh- rungen am Sitzplatz zu verrichten. Art. 30 V erhalten bei besonderen Vorkommnissen Bei besonderen Vorkommnissen im Flug, namentlich bei starken Turbu- lenzen oder einer Notlandung, sind Zwangsmittel zu mildern oder gegebe- nenfalls aufzuheben. Art. 31 Hilfeleistung Wi rd eine zwangsweise rückzuführende Person verletzt, namentlich durch die Anwendung von Zwangsmitteln oder -methoden oder wird sie von Unwohlsein befallen, leistet das Begleitteam erste Hilfe und sorgt, soweit nö- tig und möglich, für medizinische Betreuung. Art. 32 Schutz vor Angriffen Dritter Wi rd eine rückzuführende Person von Dritten in irgend einer Weise, ins- besondere verbal oder durch Gesten, angegriffen oder beleidigt, hat das Be- gleitteam in Absprache mit dem Captain für den Schutz des Betroffenen ein- zutreten. 512.33
IX. Koordination von Massnahmen bei Zwischenlandungen und in den Zielländern Art. 33 K oordination mit dem eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten 1 Rückführungen in Länder, in denen auf Grund der politischen Situation eine erhebliche Gefahr für die persönliche Freiheit des Begleitteams nicht auszuschliessen ist, erfolgen nur, wenn die schweizerische Vertretung im Zielland mit ihrer Präsenz die persönliche Sicherheit des Begleitteams prä- v entiv gewährleisten oder im Falle von Sanktionen der lokalen Behörden, die dennoch ergriffen werden, unverzüglich die notwendige Unterstützung ga- rantieren kann. 2 Die gleiche Regelung gilt für Transitländer. 3 Die Abteilung Vollzugsunterstützung bzw. swissREPAT sorgt auf fest- gelegten Kanälen für die rechtzeitige Orientierung der zuständigen schweize- rischen Vertretungen und orientiert den Teamleader vor Antritt der Reise über die getroffenen Vereinbarungen und die in den Drittländern zuständigen An- gehörigen der schweizerischen Vertretungen. 4 Bestehen Zweifel über die Gewährleistung der Sicherheit der Begleit- teams in anzufliegenden Zielländern, entscheidet die zuständige kantonale V ollzugsbehörde nach Rücksprache mit der Abteilung Vollzugsunterstützung (BFF) über den Vollzug der Wegweisung. X. Besondere Bestimmungen Art. 34 Zahlungsmittel Den Angehörigen der Begleitteams ist je eine Kreditkarte, ausgestellt auf den Vollzugskanton, für die Dauer der Reise zur Verfügung zu stellen. Art. 35 Unterkunft in Drittländern Müssen Angehörige von Begleitteams in Drittländern übernachten, haben sie Anspruch auf ein Hotel der gleichen Klasse wie es den konsularischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schweizerischer Vertretungen zusteht. 512.33

Art. 36 Berichterstattung

1 Unmittelbar nach der Rückkehr hat der Teamleader einen schriftlichen V ollzugsbericht, dem das vollständig nachgeführte Log beizufügen ist, mit allen Angaben über relevante Vorkommnisse zu verfassen und binnen zwei Ta gen der zuständigen kantonalen Vollzugsbehörde zukommen zu lassen. 2 Soweit der Bericht relevante Probleme mit einer Fluggesellschaft oder einer Flugzeugbesatzung oder durch Methoden des Widerstandes durch die rückzuführende Person beinhaltet, die für weitere Rückführungen von Be- deutung sein könnten, wird der Abteilung Vollzugsunterstützung des BFF bzw. swissREPAT eine Kopie zugestellt. Art. 37 Zur Verfügung gestellte Mittel und Kreditkarten 1 Unmittelbar nach Ankunft in der Schweiz haben die Begleiter der zu- ständigen Vollzugsbehörde im Flughafen (swissREPAT und/oder Flughafen- polizei) sämtliche zur Verfügung gestellten Mittel zurückzugeben und sie mündlich über den Verlauf der Rückführung zu orientieren. 2 Die Kreditkarten sind der ausgebenden Vollzugsbehörde spätestens am T ag nach der Heimkehr zurückzugeben. Art. 38 Betreuung Die Begleitteams haben auf deren Verlangen Anspruch auf psychologi- sche und/oder seelsorgerische Nachbetreuung, die vom Vollzugskanton zu gewährleisten ist. XI. Schlussbestimmungen Art. 39 Übergangsbestimmung Art. 6 tritt frühestens ab 2004 in Kraft. Bis zu diesem Zeitpunkt sind als T eamleader und Begleiter Polizeiangehörige einzusetzen, die sich in dieser Aufgabe bereits bewährt haben. 512.33

Art. 40 Ve

ra bschiedung Diese Vorschriften wurden inhaltlich von der KKJPD unter Berücksichti- gung der Änderungsanträge der Arbeitsgruppe Wegweisungsvollzug (AG WWV) vom 28. Februar 2002 mit Beschluss vom 11. April 2002 verabschie- det. 512.33
Version: 11.04.2002
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Vorschriften betreffend zwangsweise Rückführungen auf dem Luftweg

512.33 Vo rschriften betreffend zwangsweise Rückführungen auf dem Luftweg v om 11. April 2002 1) Die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und Polizeidirektoren – in Erfüllung bundesrechtlicher Vollzugsaufgaben 2) , –g ehalten, die rechtsstaatlich unverzichtbare Durchsetzung vollziehbarer Entscheide der zuständigen Behörden zu gewährleisten, – den Menschenrechten und der Würde aller Menschen, wie sie insbeson- dere im Internationalen Pakt über die bürgerlichen und politischen Rechte (UNO-Pakt II) 3) ,i m Übereinkommen der UNO gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe 4) , der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) 5) , dem Europäischen Übereinkommen zur V erhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behand- lung oder Strafe (CPT) 6) sowie in unserer Bundesverfassung 7) und der Rechtskultur unseres Landes zum Ausdruck kommen und geschützt sind, ve rpflichtet, empfehlen – soweit notwendig auf Bundesebene – den Erlass der nachfol- g enden Vorschriften in der Form formaler gesetzlicher Bestimmungen: 1) GS 27, 675 2) Art. 46 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) vom 26. Juni 1998, SR 142.31, und Art. 14 Bundesgesetz über den Auf- enthalt und die Niederlassung der Ausländer (ANAG) vom 26. März 1931, SR 142.20. 3) Internationaler Pakt vom 16. Dez. 1966 über die bürgerlichen und politischen Rechte (UNO-Pakt II, SR 0.103.2). 4) Übereinkommen vom 10. Dez. 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, SR 0.105. 5) Ko nv ention vom 4. Nov. 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, in der Schweiz in Kraft seit 28. Nov. 1974, SR 0.101. 6) Europäisches Übereinkommen vom 26. Nov. 1987 zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder er- niedrigender Behandlung oder Strafe, in Kraft getreten für die Schweiz am 1. Febr. 1989, SR 0.106. 7) Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV) vom 18. April 1999, SR 101.
512.33 I. Allgemeine Bestimmungen Art. 1 Geltungsbereich 1 Diese Vorschriften gelten für alle von schweizerischen Polizeiangehöri- gen durchgeführten zwangsweisen Rückführungen auf dem Luftweg, unab- hängig von der Art der anzuwendenden Zwangsmittel und unabhängig davon, ob es sich um Flüge mit Linien- oder Charterflugzeugen, die in der Schweiz oder in einem andern Staat immatrikuliert sind, oder um solche mit einem staatseigenen Flugzeug handelt. 2 Die Vorschriften erstrecken sich von der Vorbereitung einer zwangswei- sen Rückführung am Aufenthaltsort der betroffenen Person bis zu deren Übergabe an die Behörden des Bestimmungslandes. Art. 2 Rechtmässigkeit von Zwangsmitteln 1 Zwangsmittel stellen einen Eingriff in die körperliche und psychische Integrität der betroffenen Person dar. Jegliche Form und Dauer von Zwangs- mitteln muss sich daher auf eine gesetzliche Grundlage stützen können, im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein. 2 Besondere Beachtung verdienen: – der Respekt gegenüber dem Recht auf Leben und auf persönliche Freiheit, – die jedem Menschen innewohnende Würde des Menschseins, – die Rechtsgleichheit gegenüber allen Menschen, – das Verbot der Folter, grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Be- handlung, – das Willkür- und Diskriminierungsverbot. Art. 3 Zum Verhältnismässigkeitsprinzip im Besonderen 1 V erhältnismässig sind Zwangsmittel nur, wenn sie erforderlich, geeignet und im engeren Sinn verhältnismässig sind. 2 Erforderlich sind Zwangsmittel, wenn ohne deren Anwendung das be- absichtigte Ziel nicht erreichbar, d. h. die Rückführung nicht möglich wäre oder mit grosser Wahrscheinlichkeit scheitern würde. 3 Geeignet sind Zwangsmittel, wenn sie konkret zur Erreichung des Zie- les beitragen, was ohne deren Anwendung nicht möglich wäre. Andere Zwangsmittel, die zur Erreichung des Zieles nichts beitragen, sind daher un- v erhältnismässig.
4 Im engeren Sinn verhältnismässig sind Zwangsmittel, wenn deren Ein- schränkung der persönlichen Freiheit, insbesondere auch deren Dauer, zum Ziel der Rückführung als Ganzes in einem verantwortbaren Verhältnis stehen, und die Rückführung nicht wegen Übermässigkeit der Mittel verschoben oder auf andere Weise durchgeführt werden muss. 5 Zu wählen sind diejenigen Zwangsmittel, die mit den geringsten Ein- schränkungen der persönlichen Freiheit das Erreichen des Zieles erlauben. Art. 4 Zum Rechtsgleichheits- und Diskriminierungsverbot im Besonderen 1 Zwangsmittel richten sich ausschliesslich nach den gegebenen Umstän- den, insbesondere dem Verhalten der betreffenden Person. 2 Rückzuführende Personen sind respektvoll zu behandeln. Jegliche spöt- tischen, sexistischen oder anderweitig herabmindernden Bemerkungen oder Gesten sind verpönt. 3 Zwangsmittel gegenüber Frauen sind durch weibliche Polizeiangehöri- ge anzubringen. 4 Bei Kindern und betagten Menschen ist besondere Rücksicht geboten. II. Die Begleitteams Art. 5 Selektion der Angehörigen von Begleitteams 1 Polizeibegleiter für zwangsweise Rückführungen verfügen insbesonde- re über: –e ine mehrjährige polizeiliche Erfahrung, – eine ausgeglichene Persönlichkeit, überdurchschnittliche Sozialkompe- tenz, ausgeprägtes Einfühlungsvermögen, psychische Stabilität, eine hohe Belastbarkeit und Frustrationstoleranz sowie – über Fremdsprachenkenntnisse und – eine gute körperliche Fitness. 2 T eamleader zeichnen sich zudem aus durch – ausgeprägte Kommunikationsfähigkeiten in Sprachen von Transit- oder Zielstaaten oder in Englisch, sowie durch –V erhandlungsgeschick und Durchsetzungsvermögen. 512.33

Art. 6 A

usbildung 1 Zwangsweise Rückführungen dürfen nur von Polizeiangehörigen durch- geführt werden, die nach der Selektion auf Grund der Kriterien gemäss Art. 5 einen Ausbildungslehrgang bestanden haben, namentlich betreffend – die Rechtsgrundlagen für den zwangsweisen Wegweisungsvollzug (Völ- ke rrecht, Bundesrecht und kantonales Recht), – die Rechtsstellung von Begleitpersonen und das Verhältnis zum Bord- k ommandanten, – den Umgang mit Konflikten, – das Verhalten in Krisensituationen, – die Zulässigkeit von Zwangsmitteln und deren korrektem Einsatz. 2 T eamleader haben einen besonderen Kaderkurs zu bestehen. 3 Das Schweizerische Polizei-Institut (SPI) organisiert die Aus- und Wei- terbildung und führt die Kurse durch. III. Unzulässige Zwangsmittel Art. 7 Grundsatz 1 V erboten sind Zwangsmittel, die unmenschlich oder erniedrigend sind. 2 V orbehalten bleiben Notwehr und Notwehrhilfe. Art. 8 V erbotene Zwangsmittel 1 Die Atmung zurückzuführender Person darf nie und in keiner Weise be- hindert werden. 2 V erboten ist namentlich – auch nur vorübergehend: – den Mund und/oder die Nase in irgendeiner Form zu knebeln oder mit der Hand bzw. einem Gegenstand zuzudrücken, – die Verwendung einer Kopfbedeckung (z. B. Helm), wenn sie Atmungs- probleme verursachen könnte. 3 V erboten sind Techniken der Fesselung, des Festhaltens oder Wegtra- gens von Personen («hog-tieing»), wenn sie die Gefahr eines haltungsbe- dingten Erstickungstodes (Positionsasphyxie) in sich bergen. 512.33

Art. 9 Andere unzulässige Massnahmen

1 Das Anziehen von Windeln ist ohne Einwilligung der betreffenden Per- son unzulässig. 2 Während eines mehrstündigen Fluges darf der Gang zur Toilette zwecks Ve rrichten der Notdurft nicht von vorneherein ausgeschlossen werden. IV. Zulässige Zwangsmittel und Methoden Art. 10 Grundsatz Erlaubte Zwangsmittel und -methoden dürfen nur angewendet werden, wenn sich dies aufgrund des Widerstandes der rückzuführenden Person als unerlässlich erweist. Art. 11 Erlaubte Zwangsmittel 1 Zulässig sind unter Beachtung des Grundsatzes von Art. 10 dieser Vor- schriften unter besonderer Beachtung des Vermeidens gesundheitlicher Risi- k en: – die Fesselung von Händen, Armen, Füssen und Beinen mit Schliesszeug (Handschellen, Handschellensack [cuffbag], Sprungketten oder Kabel- bindern), auch in Kombination, – die Fesselung auf einem Transport- bzw. Rollstuhl oder einer Trage, – das Angurten am Sitz oder das Einkleiden in eine Zwangsjacke. 2 Macht der Widerstand der betroffenen Person eine sehr enge Fesselung notwendig, sind die entsprechenden Gelenke speziell gegen Verletzungen oder einen Blutstau zu schützen. 3 Im Flugzeug werden für die Fesselung in der Regel keine Hilfsmittel aus Metall verwendet. 4 Das Verwenden eines speziellen Helms zum Schutz vor Selbstverletzun- gen durch die betroffene Person ist unter Vorbehalt von Art. 8 Abs. 2 al. 2, er- laubt. Art. 12 Besondere Fälle Kinder sowie körperlich behinderte, gebrechliche und/oder betagte Perso- nen, die physischen Widerstand leisten, dürfen nur in besonderen Situationen (z. B. Gefahr der Selbstverstümmelung) gefesselt werden. 512.33

Art. 13 Medikation

Eine rückzuführende Person darf nur gegen ihren Willen medikamentös ruhig gestellt werden, wenn kumulativ: – das Verhalten der Person darauf schliessen lässt, dass sie sich selber oder andere ernsthaft gefährden oder verletzen könnte, –v orgängig eine ärztliche Untersuchung erfolgt ist und aus medizinischer Sicht keine Einwände gegen eine Medikamentierung bestehen, – die Verabreichung des Medikamentes durch einen Arzt oder eine Ärztin oder in deren direkten Auftrag erfolgt, – die Person während der gesamten Rückführung durch eine medizinisch geschulte Person (Arzt/Ärztin oder Rettungssanitäter/in) überwacht wird. V. Vo r b ereitung Art. 14 Allgemeine Vorbereitungen 1 Die Begleiter, insbesondere der Teamleader, haben sich vor der ersten K ontaktnahme durch Studium der entsprechenden Dossiers mit der rückzu- führenden Person, dem Grund von deren Weg- oder Ausweisung sowie über deren persönlichen Verhältnisse zu informieren. 2 Die zuständigen Personen der vollziehenden Behörde haben dem Team- leader zudem mündlich über alle relevanten Sachverhalte, insbesondere über das Verhalten der rückzuführenden Person während einer allfälligen Aus- schaffungs-, Untersuchungs- oder Strafhaft und über deren Kooperations- oder umgekehrt Gewaltbereitschaft, zu orientieren. 3 Behörden des Bundes und anderer Kantone lassen den Behörden des v ollziehenden Kantons gegebenenfalls sachdienliche Informationen zukom- men. Art. 15 V orbereitungsgespräch 1 V or einer zwangsweisen Rückführung ist unter der Verantwortung des v erfügenden Kantons als vertrauensbildende Massnahme mit der rückzufüh- renden Person (mindestens) ein Vorbereitungsgespräch zu führen, während dem sie auch über den Ablauf der Rückführung orientiert wird. Nach Mög- lichkeit soll ein Mitglied des Begleitteams am Vorbereitungsgespräch teil- nehmen. 512.33
2 Bestehen Anzeichen für physischen Widerstand der Person gegen ihre Rückführung, werden ihr die Konsequenzen eines solchen Verhaltens, na- mentlich die Anwendung von Zwangsmitteln, erläutert. 3 Auf ein Vorbereitungsgespräch darf nur verzichtet werden, wenn davon ausschliesslich (zusätzliche) Erschwernisse für die Rückführung zu erwarten sind oder wenn ein solches früher vor einem abgebrochenen Versuch einer Repatriierung bereits durchgeführt worden ist. 4 Über das Vorbereitungsgespräch wird ein Kurzprotokoll aufgenommen, v on der rückzuführenden Person unterzeichnet und dem Log beigefügt. Wird auf ein Vorbereitungsgespräch gemäss Abs. 3 verzichtet oder verweigert die rückzuführende Person die Unterschrift, ist dies mit Grundangabe im Log zu ver merken. Art. 16 Medizinische Untersuchung 1 Bei offensichtlichen gesundheitlichen Beschwerden der rückzuführen- den Person oder wenn sie solche begründet geltend macht, wird die Flug- tauglichkeit ärztlich abgeklärt. 2 Bei schwangeren Frauen ist die Flugtauglichkeit zwingend ärztlich ab- zuklären, wenn deren Rückführung sechs Wochen oder weniger vor dem Ge- bu rtstermin erfolgen soll. 3 Die Ergebnisse der ärztlichen Untersuchung über die Flugtauglichkeit werden dem/der Fremdenpolizeichef/in sowie der den Vollzug anordnenden Person schriftlich mitgeteilt. 4 Wi rd die Rückführung – allenfalls unter Beachtung von Auflagen – auf- grund des ärztlichen Berichtes als durchführbar erachtet, ist der rückzufüh- renden Person während dem Vorbereitungsgespräch vom Inhalt des Befundes K enntnis zu geben und dem Teamleader spätestens vor dem Abflug im Flug- hafen eine Kopie des Berichtes zuzustellen. Art. 17 Medizinische Auflagen 1 Bei bejahter Reisefähigkeit legt der/die beurteilende Arzt/Ärztin die al- lenfalls notwendigen Auflagen bzw. medizinischen Massnahmen fest. 2 Die verfügende Behörde ist gegebenenfalls für die Massnahmen zur Ein- haltung der Auflagen besorgt. 3 Muss die Rückführung medizinisch begleitet oder unterstützt werden, wird dies der betroffenen Person anlässlich des Vorbereitungsgespräches mit- geteilt. 512.33
VI. Festnahme, Durchsuchung und Transport zum Flughafen Art. 18 Planung 1 Entsprechend dem Ergebnis des Vorbereitungsgesprächs haben Team- leader und Begleiter in Zusammenarbeit mit der verfügenden Behörde und gegebenenfalls der zuständigen Kantonspolizei einen Plan für den Transport zum Flughafen und die nach den Umständen notwendigen Zwangsmittel zu erstellen. 2 Ist mit einer erheblichen Selbstverletzungsgefahr zu rechnen, muss die Person nach dem Vorbereitungsgespräch bis zum Transport an den Flughafen sowie während dieser Fahrt überwacht werden. Art. 19 Log 1 Über jede zwangsweise Rückführung ist für jede rückzuführende Person ein Log (Vollzugs-Journal) anzulegen. 2 Im Log werden alle angeordneten Zwangsmittel, deren allfällige Ver- stärkung, Lockerung oder Aufhebung sowie allfällige medizinische Mass- nahmen und andere relevante Vorkehren (z. B. Verpflegung) mit exakter Zeit- angabe, Begründung sowie den Namen des anordnenden und des ausführen- den Begleiters festgehalten. Art. 20 F estnahme und Durchsuchung 1 Befindet sich die betroffene Person nicht bereits in Haft, werden die Festnahme und die unmittelbar danach folgenden notwendigen Handlungen (Gepäck- und Kleiderdurchsuchung, evtl. Leibesvisitation usw.) in der Regel nicht durch die Mitglieder des Begleitteams durchgeführt. 2 Gepäck-, Kleiderdurchsuchungen und evtl. Leibesvisitationen sind durch Polizeiangehörige des jeweils gleichen Geschlechts vorzunehmen. Bei Knaben in jungem Alter ist nach Möglichkeit eine weibliche Polizeiangehö- rige zuzuziehen. Art. 21 Reisefertigkeit 1 Die vollziehende Behörde hat der rückzuführenden Person Gelegenheit zu geben, sich in angemessener Weise reisefertig zu kleiden und auszurüsten. 2 Die besonderen Checklisten betreffend Reisefertigkeit sind Bestandteil dieser Vorschriften; sie sind einzuhalten. 3 Die zuständige Flughafenpolizei ist befugt, nicht reisefertige Personen den verfügenden Behörden des Vollzugskantons unter Kostenfolge zu über- geben. 512.33

Art. 22 Tr

ansport zum Flughafen Der Transport zum Flughafen ist in der Regel vom Teamleader oder einem anderen Teammitglied zu begleiten. VII. Massnahmen im Flughafen Art. 23 Übergabe an die Vollzugsbehörden im Flughafen 1 Die zuführenden Polizeiangehörigen übergeben die betroffene Person samt deren Reisegepäck persönlich den Vollzugsbehörden im Flughafen. 2 Für die Übergabe des Reisegepäcks wird eine Quittung über die Rich- tigkeit und Vollständigkeit ausgestellt. Sie soll von der rückzuführenden Per- son als richtig und vollständig unterzeichnet werden. Verweigert sie die Unterschrift, ist dies im Log mit Grundangabe zu vermerken. 3 Sollte ausnahmsweise der Transport zum Flughafen nicht bereits von einem Mitglied des Begleitteams begleitet werden, sind allfällige wesentliche Informationen über die betroffene Person oder diese Rückführung den Ange- hörigen der Vollzugsbehörden im Flughafen mitzuteilen. Ebenso sind allfäl- lige Kopien ärztlicher Befunde, die nicht bereits im Besitz des Teamleaders sind, zu dessen Handen zu übergeben. Art. 24 Ve r antwortlichkeit der Vollzugsbehörden im Flughafen 1 Sobald die rückzuführende Person an die Vollzugsbehörden am Flugha- fen übergeben worden ist, obliegen dieser alle Massnahmen für die Flugvor- bereitung und Betreuung. 2 Sie entscheidet über die allfällige Anwendung von (technischen) Zwangsmitteln bis zur Platzierung der rückzuführenden Person im Flugzeug und unterrichtet den Teamleader über die getroffenen Massnahmen. 3 Alle angeordneten, geänderten oder aufgehobenen Massnahmen sind im Log festzuhalten (Art. 19). Art. 25 Ve rkehr mit den Fluggesellschaften bzw. mit der Flugzeugbesatzung 1 Die gleiche Behörde ist verantwortlich für alle Regelungen mit der ge- wählten Fluggesellschaft sowie für die notwendigen Absprachen mit der Flugzeugbesatzung. 512.33
2 Sie sorgt für die möglichst frühzeitige Verbindungsaufnahme des Team- leaders mit der Flugzeugbesatzung. 3 Sie überprüft die Vollständigkeit und Richtigkeit aller für die Rückfüh- rung benötigten Dokumente, die das Begleitteam mitzuführen hat. Art. 26 Ve rs c hiedene Anordnungen 1 Unmittelbar vor Antritt des Fluges ist der rückzuführenden Person noch einmal zu ermöglichen, die Toilette aufzusuchen. 2 Zwangsmittel sind in der Öffentlichkeit möglichst diskret anzuwenden. 3 Entsprechende Anordnungen werden im Log festgehalten. VIII. Begleitung während des Fluges Art. 27 T okio-Abkommen 1 Während des Fluges, d. h. nach dem Schliessen der Aussentüren des Flugzeuges bis zu deren Öffnen nach der Landung, verfügt der Luftfahrzeug- k ommandant (Captain) gemäss dem Abkommen von Tokio 1) über die aus- schliessliche Bordgewalt. Ihm steht es allein zu, Massnahmen zu treffen, um die Sicherheit des Luftfahrzeuges oder der Personen oder Sachen an Bord zu gewährleisten sowie die Ordnung und Disziplin an Bord aufrechtzuerhalten. Er kann von andern Besatzungsmitgliedern verlangen, sowie Fluggäste auf- fordern und sie ermächtigen, ihn bei der Anwendung von Zwangsmitteln gegenüber einer Person, der gegenüber er hiezu befugt ist, zu unterstützen. 2 Diese Weisungsbefugnis gilt auch gegenüber schweizerischen Polizei- angehörigen, sofern die Sicherheit des Flugzeuges oder die Ordnung und Dis- ziplin an Bord gefährdet sind. 3 In Fällen von Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Captain und den schweizerischen Polizeiangehörigen betr. das Auferlegen, Weiterführen, Erleichtern oder Aufheben von Zwangsmitteln gegenüber rückzuführenden Personen bleibt die Entscheidungsbefugnis beim Captain, sofern die Sicher- heit oder die Ordnung und Disziplin an Bord des Flugzeuges im Zusammen- hang mit diesen Massnahmen in irgend einer Weise tangiert sein können. 1) Abkommen über strafbare und bestimmte andere an Bord von Luftfahrzeugen begangene Handlungen, vom 14. Sept. 1963, SR 0.748.710.1, in der Schweiz in Kraft seit 21. März 1971. 512.33

Art. 28 Ve

rpflegung Das Begleitteam achtet darauf, dass der rückzuführenden Person stets ge- nügend Flüssigkeit und Nahrung zur Verfügung steht. Art. 29 Pe r sönliche Bedürfnisse 1 Einer rückzuführenden Person, die die Ordnung an Bord nicht zu stören droht, ist der Gang zur Toilette in regelmässigen Abständen zu gestatten. 2 Andernfalls gestatten die Polizeibegleiter das Aufsuchen der Toilette – gegebenenfalls in Absprache mit dem Bordkommandanten – nur, wenn mit entsprechenden Vorsichtsmassnahmen nach ihrer Einschätzung dadurch Ord- nung und Sicherheit an Bord nicht gefährdet werden. 3 Wi rd der Toilettengang verweigert, muss der rückzuführenden Person die Möglichkeit gewährt werden, ihre Notdurft mit entsprechenden Vorkeh- rungen am Sitzplatz zu verrichten. Art. 30 V erhalten bei besonderen Vorkommnissen Bei besonderen Vorkommnissen im Flug, namentlich bei starken Turbu- lenzen oder einer Notlandung, sind Zwangsmittel zu mildern oder gegebe- nenfalls aufzuheben. Art. 31 Hilfeleistung Wi rd eine zwangsweise rückzuführende Person verletzt, namentlich durch die Anwendung von Zwangsmitteln oder -methoden oder wird sie von Unwohlsein befallen, leistet das Begleitteam erste Hilfe und sorgt, soweit nö- tig und möglich, für medizinische Betreuung. Art. 32 Schutz vor Angriffen Dritter Wi rd eine rückzuführende Person von Dritten in irgend einer Weise, ins- besondere verbal oder durch Gesten, angegriffen oder beleidigt, hat das Be- gleitteam in Absprache mit dem Captain für den Schutz des Betroffenen ein- zutreten. 512.33
IX. Koordination von Massnahmen bei Zwischenlandungen und in den Zielländern Art. 33 K oordination mit dem eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten 1 Rückführungen in Länder, in denen auf Grund der politischen Situation eine erhebliche Gefahr für die persönliche Freiheit des Begleitteams nicht auszuschliessen ist, erfolgen nur, wenn die schweizerische Vertretung im Zielland mit ihrer Präsenz die persönliche Sicherheit des Begleitteams prä- v entiv gewährleisten oder im Falle von Sanktionen der lokalen Behörden, die dennoch ergriffen werden, unverzüglich die notwendige Unterstützung ga- rantieren kann. 2 Die gleiche Regelung gilt für Transitländer. 3 Die Abteilung Vollzugsunterstützung bzw. swissREPAT sorgt auf fest- gelegten Kanälen für die rechtzeitige Orientierung der zuständigen schweize- rischen Vertretungen und orientiert den Teamleader vor Antritt der Reise über die getroffenen Vereinbarungen und die in den Drittländern zuständigen An- gehörigen der schweizerischen Vertretungen. 4 Bestehen Zweifel über die Gewährleistung der Sicherheit der Begleit- teams in anzufliegenden Zielländern, entscheidet die zuständige kantonale V ollzugsbehörde nach Rücksprache mit der Abteilung Vollzugsunterstützung (BFF) über den Vollzug der Wegweisung. X. Besondere Bestimmungen Art. 34 Zahlungsmittel Den Angehörigen der Begleitteams ist je eine Kreditkarte, ausgestellt auf den Vollzugskanton, für die Dauer der Reise zur Verfügung zu stellen. Art. 35 Unterkunft in Drittländern Müssen Angehörige von Begleitteams in Drittländern übernachten, haben sie Anspruch auf ein Hotel der gleichen Klasse wie es den konsularischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schweizerischer Vertretungen zusteht. 512.33

Art. 36 Berichterstattung

1 Unmittelbar nach der Rückkehr hat der Teamleader einen schriftlichen V ollzugsbericht, dem das vollständig nachgeführte Log beizufügen ist, mit allen Angaben über relevante Vorkommnisse zu verfassen und binnen zwei Ta gen der zuständigen kantonalen Vollzugsbehörde zukommen zu lassen. 2 Soweit der Bericht relevante Probleme mit einer Fluggesellschaft oder einer Flugzeugbesatzung oder durch Methoden des Widerstandes durch die rückzuführende Person beinhaltet, die für weitere Rückführungen von Be- deutung sein könnten, wird der Abteilung Vollzugsunterstützung des BFF bzw. swissREPAT eine Kopie zugestellt. Art. 37 Zur Verfügung gestellte Mittel und Kreditkarten 1 Unmittelbar nach Ankunft in der Schweiz haben die Begleiter der zu- ständigen Vollzugsbehörde im Flughafen (swissREPAT und/oder Flughafen- polizei) sämtliche zur Verfügung gestellten Mittel zurückzugeben und sie mündlich über den Verlauf der Rückführung zu orientieren. 2 Die Kreditkarten sind der ausgebenden Vollzugsbehörde spätestens am T ag nach der Heimkehr zurückzugeben. Art. 38 Betreuung Die Begleitteams haben auf deren Verlangen Anspruch auf psychologi- sche und/oder seelsorgerische Nachbetreuung, die vom Vollzugskanton zu gewährleisten ist. XI. Schlussbestimmungen Art. 39 Übergangsbestimmung Art. 6 tritt frühestens ab 2004 in Kraft. Bis zu diesem Zeitpunkt sind als T eamleader und Begleiter Polizeiangehörige einzusetzen, die sich in dieser Aufgabe bereits bewährt haben. 512.33

Art. 40 Ve

ra bschiedung Diese Vorschriften wurden inhaltlich von der KKJPD unter Berücksichti- gung der Änderungsanträge der Arbeitsgruppe Wegweisungsvollzug (AG WWV) vom 28. Februar 2002 mit Beschluss vom 11. April 2002 verabschie- det. 512.33
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