Teil I: Bestimmungen für alle Vertragsparteien
Art. 2 Allgemeine Bestimmungen
1. Die Vertragsparteien ergreifen alle geeigneten Massnahmen, um jede grenzüberschreitende Beeinträchtigung zu vermeiden, zu kontrollieren und zu verringern.
2. Die Vertragsparteien ergreifen insbesondere alle geeigneten Massnahmen, um
a) eine Verschmutzung von Gewässern, welche grenzüberschreitende Beeinträchtigungen verursacht oder wahrscheinlich verursacht, zu vermeiden, zu kontrollieren und zu verringern;
b) sicherzustellen, dass grenzüberschreitende Gewässer mit dem Ziel einer ökologisch verträglichen und rationellen Wasserbewirtschaftung sowie des Schutzes der Wasserressourcen und der Umwelt genutzt werden;
c) sicherzustellen, dass grenzüberschreitende Gewässer auf vernünftige und gerechte Weise genutzt werden, wobei ihr grenzüberschreitender Charakter im Falle von Tätigkeiten, die grenzüberschreitende Beeinträchtigungen verursachen oder wahrscheinlich verursachen, besonders berücksichtigt wird;
d) den Schutz und gegebenenfalls die Wiederherstellung von Ökosystemen sicherzustellen.
3. Massnahmen zur Vermeidung, Kontrolle und Verringerung von Wasserverschmutzung werden, soweit möglich, an der Quelle getroffen.
4. Diese Massnahmen dürfen weder direkt noch indirekt zu einer Verlagerung der Verschmutzung auf andere Teile der Umwelt führen.
5. Wenn die Vertragsparteien die in den Absätzen 1 und 2 dieses Artikels genannten Massnahmen ergreifen, lassen sie sich von folgenden Grundsätzen leiten:
a) dem Vorsorgeprinzip, wonach Massnahmen zur Vermeidung möglicher grenzüberschreitender Beeinträchtigungen durch die Freisetzung gefährlicher Stoffe nicht deshalb zeitlich verzögert werden dürfen, weil für den kausalen Zusammenhang zwischen diesen Stoffen und der möglichen grenzüberschreitenden Beeinträchtigung noch keine abschliessenden wissenschaftlichen Beweise vorhanden sind;
b) dem Verursacherprinzip, wonach die Kosten für die Massnahmen zur Vermeidung, Kontrolle und Verringerung der Verschmutzung vom Verursacher zu tragen sind;
c) Wasserressourcen sind so zu bewirtschaften, dass der Bedarf der heutigen Generation gedeckt werden kann, ohne dass die Möglichkeit zukünftiger Generationen, ihren Eigenbedarf zu decken, beeinträchtigt wird.
6. Die Anrainerstaaten arbeiten insbesondere durch bilaterale und multilaterale Abkommen auf der Grundlage der Gleichberechtigung und Gegenseitigkeit zusammen, um abgestimmte Massnahmen, Programme und Strategien für die entsprechenden Einzugsgebiete oder Teile dieser Einzugsgebiete zu entwickeln, wobei die Vermeidung, Kontrolle und Verringerung grenzüberschreitender Beeinträchtigungen und der Schutz der Umwelt der grenzüberschreitenden Gewässer oder aber der Umwelt, die durch solche Gewässer beeinflusst wird, einschliesslich der Meeresumwelt, zum Ziel gesetzt werden.
7. Die Anwendung dieses Übereinkommens darf nicht zu einer Verschlechterung der Umweltbedingungen oder zu einem Anstieg der grenzüberschreitenden Beeinträchtigungen führen.
8. Die Bestimmungen dieses Übereinkommens beeinträchtigen nicht das Recht von Vertragsparteien, entweder einzeln oder gemeinsam strengere als in diesem Übereinkommen festgelegte Massnahmen anzunehmen und umzusetzen.